Die Tabellensituation vor dem heutigen Match lässt eigentlich nur einen Favoriten zu: der SC Bern, der aktuell auf Rang 5 ist und 21 Punkte mehr auf dem Konto hat als der Tabellenletzte Ajoie. Und so kam es dann auch. Bern setzte sich mit 6:3 durch, auch dank des zum Verteidiger umfunktionierten Joel Vermin.
Was viele vielleicht nicht wissen: Ajoie ist kein Dorf und schon gar keine Stadt, Ajoie ist eine Region. Die Ajoie ist eine Landschaft im Norden des Kanton Jura. Sie wird auch als der Pruntruter Zipfel bezeichnet, Logisch, dass der Hauptort der Ajoie Pruntrut oder französisch Porrentrruy ist. Früher nannte man die Ajoie auch Eisgau, womit es – auch da – sehr logisch erscheint, dass man den örtlichen Eishockeyverein Ajoie genannt hat. Wenn der Chronist in den ersten Spielminuten Zeit für solche geographischen Reminiszenzen hat, sagt das gleichzeitig auch aus, dass auf dem Spielfeld nicht allzu viel los war. Wenig wirklich zusammenhängende Aktionen, zu viele Fehler und immer mal wieder unerlaubte Befreiungsschläge, überwiegend durch den HC Ajoie. Die erste wirklich nennenswerte Chance hatten die Berner in der 7. Minute durch Loeffel, der alleine vor dem „Eisgauer“ Torhüter Damiano Ciaccio auftauchte, an diesem aber scheiterte. Es entwickelte sich, wie Joel Vermin ausführte, eine gegen Ajoie typische Partie: „Ajoie ist kein einfacher Gegner, sie haben in den letzten Spielen sehr gute Leistungen gezeigt und konnten auch einige davon gewinnen. Gegen Ajoie musst du immer mit Geduld spielen“.
Der SCB geduldig
Die spielerischen Akzente waren hüben wie drüben selten, wie es eben ist, wenn Teams wissen, dass sie geduldig spielen müssen. Ajoie konnte jedoch aus den Unzulänglichkeiten oder Fehler der Berner keinen Profit schlagen, was durch deren Tabellenlage erklärbar ist. Das Spiel plätscherte weiterhin hin und her, unterhaltsam waren bisher die beiden Fangruppen. Die viel zahlreicheren Berner versuchten lautenstärkenmässig mit den Jurassiern mitzuhalten, was in der 14. Minute dann plötzlich einfacher fiel: Waltteri Merelä schloss eine schöne Kombination der SCB Ausländer Ejdsell und Kahun zum 1:0 ab. Dieses 1:0 zeitigte einen gewissen positiven Effekt auf das Berner Spiel, trotzdem ging man mit dem Resultat von 1:0 in die erste Drittelspause. Dachten alle, bis 18 Sekunden vor eben dieser Pause noch das 2:0 durch Kahun fiel. Jetzt aber Pause.
„Heit dir es Gou verpasst, kes Problem….“ zitiert der langjährige Berner Stadion-Speaker Geri Ryser jeweils zum Ende eines Drittels. Ajoie sorgte nach nur 23 Sekunden im zweiten Drittel dafür dass Ryser eben diesen Satz auch am Ende des zweiten Drittels völlig zurecht bringen konnte. Die Jurassier düpierten die Berner zum 2:1. Das 2:0 für Bern 18 Sekunden vor, das 2:1 für Ajoie 23 Sekunden nach der Pause. Oder wie es Joel Vermin sagte: „Wir wissen alle, wenn man als Team 2 oder 3 Tore gegen Ajoie vorlegt und in einen Winterschlaf fällt, schiessen die Jurassier ihre Tore.“ Dem selber als Verteidiger Eishockey spielenden Ryser hat das Abwehrverhalten der Berner beim Gegentor gar nicht gefallen, wie er nach dem Spiel gegenüber dem Chronisten bestätigte. Er liess sich das als Speaker wie immer äusserst professionell selbstverständlich nicht anmerken . Mehr Freude hatten wiederum alle Berner Fans als Joel Vermin in der 25. Minute mit einem Hocheckschuss zum 3:1 für die Berner traf.
Der „neue“ Verteidiger Vermin
Joel Vermin wurde auf diese Saison hin zum Verteidiger umfunktioniert. Heute konnte er als Doppeltorschütze zudem seine Scorerqualitäten unter Beweis stellen. „Ja, manchmal musst du einfach am richtigen Ort stehen und die Pässe kriegen“, meinte Vermin nach dem Spiel mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Auf den Prozess zum Verteidiger hin angesprochen, meinte Vermin: „Es war am Anfang eine Challenge, es war ein Lernprozess, nicht immer grad offensiv gehen zu wollen.“ In der National League ist es eher selten dass jemand zum Verteidiger mutiert. Vermin meistert seine neue Rolle mit Bravour. Darauf angesprochen, schmunzelt er wieder: „Ja, keine Ahnung. Ich hätte es nicht gedacht, aber es macht Spass als Verteidiger zu spielen.“ Kommen wir wieder zurück zum Spielverlauf.
Die ersten Strafen des Spiels
In der 28. Minute konnten die Jurassier zum ersten Mal in dieser Partie in Überzahl agieren, was sie nach nur wenigen Sekunden zum neuerlichen Anschlusstreffer ausnützten. Damit blieb die Spannung in dieser Partie erhalten, auch wenn – wie bereits erwähnt – die Favoritenrolle eigentlich klar verteilt war. Kurz darauf ermöglichte Waltteri Merelä mit einer doch ziemlich unnötigen Strafe (Spielverzögerung) den Jurassiern die nächste Überzahlsituation. Diesmal gelang ihnen kein Tor. Und einige Sekunden nach Ablauf der Strafe war es wieder Joel Vermin, der den Berner 2-Tore Vorsprung wieder herstellte.
Die Schiedsrichter verhängen weiterhin Strafen, auch mal gegen Ajoie, womit der SC Bern zu seinem ersten Powerplay des Abends kam. Wie immer in dieser Saison zirkulierte die Scheibe gut in den Berner Reihen, die Jurassier wehrten sich allerdings nach Kräften – und für diese Überzahlsituation erfolgreich. Doch einige Sekunden der Ablauf war es der junge Alain Graf, der für die Berner zum 5:2 erhöhen konnte. So endete das zweite Drittel mit dieser deutlichen Berner Führung. Es schien unwahrscheinlich, dass der HC Ajoie wieder in diese Partie zurückkehren könnte. „Heit dir es Gou verpasst…?“. Es gab im zweiten Drittel tatsächlich einige Tore, die man hätte verpassen und hernach im TV nachschauen können.
Torhüterwechsel
Für das letzte Drittel räumte der Jurassische Torhüter Damiano Ciaccio seinen Platz zugunsten des an diesem Abend zweiten Torhüters Benjamin Conz. Was diese Massnahme hätte bringen sollen, wird für immer das Geheimnis des Trainers des HC Ajoie, Greg Ireland, bleiben. In der 48. Minute gelang dem HC Ajoie zwar durch Pierre-Edouard Bellemare das dritte Tor. Es ist üblich, dass ein Team aus einem Tor heraus neue Hoffnung schöpft und den Schwung mitnehmen kann. In diesem Fall auch der HC Ajoie. Bern vermochte jedoch seine spielerische Überlegenheit auszuspielen und kriegte die Partie wieder in den Griff. Der SCB bewies damit jene Tugend, die Joel Vermin als erstes als Tugend eines Verteidigers erwähnt:“ In der Verteidigung musst du eine Bank sein, du darfst kein Emmentaler Käse sein“. Ohne die Leistung Benjamin Conz‘ schmälern zu wollen: dass er in seinem Kurzeinsatz kein Tor kassierte, lag eher daran, dass sich die Berner aufs Verteidigen konzentrierten und weniger am Erfolg der Massnahme Torhüterwechsels. Oder wie es Joel Vermin ausdrückte: „Dass der Gegner am Schluss noch etwas Druck macht, ist völlig normal, wir konnten dem aber Stand halten und die guten drei Punkte ins Trockene bringen“. Ajoie ging schon knapp drei Minuten vor Schluss „all in“ und ersetze seinen Torhüter zugunsten eines sechsten Feldspielers. Auch diese Massnahme ging schief. 1,5 Sekunden vor Schluss erzielte Ramon Untersander das 6:3. Damit blieb es auch beim Shutout von Benjamin Conz, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er sein Tor schon lange verlassen.
Joel Vermin fokussiert sich auf die Verteidigung. Trotzdem lässt er manchmal zu, dass „die Rösser durchgehen“ und er wie heute, zur grossen Freude aller zwei Tore erzielt. Dass er zum besten Spieler seines Teams gewählt wurde, war mehr als nur logisch.
Best Player
Bern: Joel Vermin
Ajoie: Pierre-Edouard Bellemare
SC Bern – HC Ajoie 6:3 (2:0; 3:2; 1:1)
Tore:
1:0 |14.| Waltteri Merelä (Ejdsell, Kahun)
2:0 |20.| Dominik Kahun (Klok, Loeffel)
2:1 |21.| Pierre-Edouard Bellemare (Nättinen, Sopa)
3:1 |25.| Joel Vermin (Kindschi, Sablanig
3:2 |29.| Julius Nättinen (Bellemare, Honka)
4:2 |33.| Joel Vermin (Scherwey, Merelä)
5:2 |36.| Alain Graf (Klok)
5:3 |48.| Pierre-Edouard Bellemare (Honka, Nättinen)
6:3 |60.| Ramon Untersander
Zuschauer:
14’580 Zuschauer
Postfinance Arena
Fotoquelle: Marija Diepold