Benjamin Baumgartner ist schnell, wendig und er kann sehr schnell bremsen. Manchmal fällt er hin. Zudem kamen die Zuschauer in der Postfinance Arena heute zum ungeliebten Déjà-vu. Und auch die Torhüter hatten einen gewissen Einfluss auf den Spielausgang . 

„Vielleicht sollten wir es nächstes Mal nicht so spannend machen. Das Wichtigste ist aber, dass wir drei Punkte haben“, resümierte der heutige Matchwinner Benjamin Baumgartner. Er hatte ein Tor und zwei Assist verbuchen können. Das Berner Derby SCB gegen die Tigers aus Langnau verspricht seit Jahrzehnten immer dasselbe: (heute fast) volle Ränge und grosse Vorfreude auf emotionales Eishockey. Entsprechend energiegeladen startete die Partie. Beide Teams suchten entschieden den direkten Weg aufs Tor und es dauerte fast 4 Minuten bis zum ersten Spielunterbruch. Auf Stadtberner Seite feierte Samuel Kreis nach langer verletzungsbedingter Absenz seine Rückkehr ins Team. Die Emmentaler ihrerseits beklagten die krankheitsbedingte Absenz des ehemaligen Captains mit Stadtberner Vergangenheit Pascal Berger. Und weil auf Stadtberner Seite Adam Reideborn das Tor hütete, musste Dominik Kahun als überzähliger Ausländer Platz auf der Tribüne nehmen.

Und schliesslich absolvierte der ehemalige Bieler Elvis Schläpfer sein erstes Spiel in der Postfinance Arena. Schläpfer war im Tausch mit Yannick Sablatnik zum SCB gestossen. Als rund 6 Minuten vor Drittelsende der Stadtberner Lukas Klok auf die Strafbank beordert wurde, zogen die Tigers ein sehr gutes Powerplay auf. Die Scheibe zirkulierte hervorragend im gegnerischen Verteidigungsdrittel. Schliesslich war es Sean Malone, der zum 0:1 traf. Ein Tor, das auf der Medientribüne von den Kollegen des Emmentaler Radio neo stark bejubelt wurde. Ein einigermassen ausgeglichenes erstes Drittel endete mit einem Stadtberner Chancenplus (9:5), aber einer kleinen Langnauer Führung.

Das einigermassen ausgeglichene Spiel fand auch im zweiten Drittel seine Fortsetzung. Somit auch logisch, dass der SCB dank einem sehenswerten Treffer von Thierry Schild die Partie in der 25. Minute ausgleichen konnte. Nach diesem Ausgleichstreffer konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der SCB die Partie langsam aber sicher in den Griff kriegte. Das Spielgeschehen verlagerte sich folglich zunehmend ins Emmentaler Verteidigungsdrittel. Was den Tigers Coach Thierry Paterlini sicher nicht erfreuen konnte. Auch Paterlini hat übrigens eine Stadtberner Erfahrung als Spieler.

In der 32. Minute war es dann Benjamin Baumgartner, der die Mutzen mit 2:1 in Führung brachte. Eine Führung, die sich angebahnt hatte. Insofern war aktuell die Mehrheit der anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauer zufrieden. Die Druckphase des SCB hielt an, womit es nur logisch war, als Thierry Bader zum 3:1 erhöhte.

Vom Bremsen und der Beschleunigung
Ins Kapitel der unterhaltsamen, aber fürs Resultat nur bedingt relevanten Statistiken gehören sicherlich die Werte zur Verzögerung, also dem Bremsen und auch der Beschleunigung.  Kurz nach dem 3:1 zeigte der Videowürfel für Benjamin Baumgartner eine Verzögerung von -7.31 Meter/Quadratsekunde an. Für physikalisch weniger Begabte wie den Chronisten heisst das einfach: sehr stark gebremst. Und wie ist das für den Spieler selbst? Benjamin Baumgartner antwortet in seinem wunderbaren Österreicher-Akzent: „Da bini wahrscheinlich hingfallen oder so irgendwas, i weises ned. I kann mitem Wert eigentlich nix anfangen. Wichtig is, das mer das Spiel gwinnen und Punkte holen. Alles andere geht mi nid so an.“ Und trotzdem ist es sicherlich wichtig, wenn man als Spieler schnell beschleunigen und Richtung ändern kann. Das sieht natürlich auch Baumgartner so: „Vor allem in der Schweizer Liga, in der es schnell hin und her geht, ist es wichtig, dass man viel läuft und schnell umschaltet.“

Die Emmentaler Torhüterfrage
Kurz nach Beginn des letzten Drittels erzielte Langnaus Brian Zanetti  nach einer sehr schönen Kombination den Anschlusstreffer. Der enge Spielstand durfte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die Emmentaler über zwei doch ziemlich unterschiedliche Torhüter verfügen. Der heute spielende Luca Boltshauser kam schon die ganze Saison nicht auf Touren. Er absolvierte heute seinen 10. Einsatz und hat erst einmal gewonnen. Ganz anders sein Kollege Stéphane Charlin, der 12 seiner 18 bisherigen Einsätze siegreich gestalten konnte. Oder wie es ein gewiefter Journalist im Medienraum ausgerechnet hat: Hätte Stéphane Charlin immer gespielt und dieselbe Siegquote erreicht, wären die SCL Tigers nun Tabellenführer. All das ist natürlich „hätte“, „würde“ und „könnte“. Coaches sollten jedoch für ihre Entscheidungen zuweilen auch den Konjunktiv berücksichtigen.

In der 45. Minute konnte der SCB mit Waltteri Merelä wieder zum 4:2 erhöhen. Kurz darauf traf Thierry Bader den Pfosten. Alles Fakten, welche Luca Boltshausers Chancen auf seinen zweiten Saisonsieg schwinden liessen. Wobei die Tigers rund fünf Minuten vor Schluss wieder heran kamen und durch den Topscorer Dario Rohrbach das 4:3 erzielten. Diesmal war der Berner Torhüter Adam Reideborn nicht ganz unschuldig, liess er die Scheibe doch vor sich fallen. Die nächste Langnauer Riesenchance folgte dann auf dem Fuss. Würden die Stadtberner auf ein Déjà-vu zusteuern? Wie gegen Gottéron, als man in den letzten 10 Minuten eine Zweitoreführung hergab.

Befeuert wurde diese Annahme dadurch, dass Fabian Ritzmann für den SCB auf die Strafbank musste. Zudem nahmen die Tigers über drei Minuten vor Schluss ihren Torhüter vom Eis. Die Massnahme war von Erfolg gekrönt: Aleksi Saarela erzielte in der 58. Minute den viel umjubelten Ausgleich. Das Déjà-vu des SCB war da. Dazu nochmal Benjamin Baumgartner mit deutlichen Worten: „Wir müssen lernen, wie man die Spiele „killen“, will heissen wie man einen Gegner auch mit zwei oder drei Toren Vorsprung weiter unter Druck setzen kann“. Déjà-vu also!  Das dachten alle. Nur Romain Loeffel nicht! 4,8 Sekunden vor der Schlusssirene erzielte er den Stadtberner Siegtreffer. Jetzt war der Sieg amtlich, auch wenn die Tigers noch ihr Timeout nahmen. In knapp 5 Sekunden vom Mittelkreis her ein Tor zu erzielen. Ein Ding der Unmöglichkeit.

Die letzte Partie in der Postfinance Arena im Jahr 2024 ist Geschichte. Deswegen soll hier der heutige best player des SCB, Benjamin Baumgartner, mit einem Weihnachtsfazit noch einmal zu Wort kommen: „Ich denke, wir spielen ein attraktives Eishockey, wir sind stark und schiessen viele Tore. Defensiv können wir noch etwas zulegen. Bis jetzt bin ich aber zufrieden und die Ergebnisse stimmen.“ Eine Einschätzung, die durch die bisherigen 52 Punkte des SCB und einem soliden fünften Zwischenrang bestätigt wird.

Best Player
Bern: Benjamin Baumgartner
SCL Tigers: Brian Zanetti

SC Bern – SCL Tigers 5:4 (0:1; 3:0; 2:3)

Tore:
0:1 |15.| Sean Malone (Rohrbach, Fahrni)
1:1 |25.| Thierry Schild (Untersander)
2:1 |32.| Benjamin Baumgartner (Bader, Kreis)
3:1 |36.| Thierry Bader (Scherwey, Baumgartner)
3:2 |42.| Brian Zanetti  (Schmutz, Pesonen)
4:2 |45.| Waltteri Merelä (Czarnik, Baumgartner)
4:3 |55.| Dario Rohrbach (Schmutz, Guggenheim)
4:4 |58.| Aleksi Saarela (Saarijärvi)
5:4 |60.| Romain Loeffel (Schmutz, Guggenheim)

Zuschauer:
16’891 Zuschauer
Postfinance Arena

 

 

 

 

Fotoquelle: justpictures.ch