Der HC Murten fährt ins Davoser Landwassertal. Mit dabei ist der ehemalige Eishockeyprofi und aktuelle SRF-Experte Philippe Furrer. Er spielt beim HC Murten mit seiner legendären Nummer 29. Die Nummer, die in der Postfinance Arena unters Hallendach gezogen wurde. Furrer ist im Car unterwegs mit Kameraden des HC Murten und auch mit Kiwanis-Freunden. Viele von ihnen unterstützen Fribourg Gottéron, obwohl man in Murten Berndeutsch redet. Berndeutsch und Gottéron Fan? Die Geschichte erklärt warum.
Die Sympathien seien wohl klar verteilt, so die Frage des SRF-Reporters an Markus Guggisberg, der auch im Car mitfährt. „Das ist eine politisch heikle Frage, ich selber bin aus Bern. Wir haben aber eine gute Durchmischung mit Bernern und Freiburgern, primär sind wir aber Hockeyliebhaber.“ Vielleicht ist die Frage in der Tat politisch heikel, denn Fribourg Gottéron und den SC Bern verbindet eine langjährige Rivalität. Deswegen nennt man ja die Partien zwischen den beiden Zähringerstädten Bern und Freiburg auch Derbys. Der Begriff Derby bezeichnet ein Spiel zwischen zwei Mannschaften, die aus der gleichen Region oder Stadt stammen. Derbys haben vor allem für Fans eine hohe symbolische Bedeutung, da sie oft mit einer langen Geschichte und intensiven Rivalität verbunden sind. Im Falle von Murten gibt es in der Tat eine sehr lange Geschichte, die vor knapp 1000 Jahren beginnt.
Murten in der Mitte zwischen Bern und Freiburg
Im Jahr 1127 hatten die Herzöge von Zähringen die Rechte im ehemaligen Königreich Burgund inne. Unter Berchtold IV. von Zähringen wurde die Stadt Murten mit dem typischen zähringischen Rechteck als Grundrissform in der Zeit zwischen 1157 und 1177 neu gegründet. Rasch erlebte die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung und wurde 1218 nach dem Erlöschen des Geschlechts der Herzöge von Zähringen reichsfrei. Sie fristete aber ein unsicheres Dasein im Grenzgebiet zwischen den Besitztümern der Savoyer und der Kyburger resp. Habsburger. Den ersten Bund, den Murten mit einer befreundeten Stadt eingegangen ist, datiert vom 24. Juni 1245 und wurde mit der Stadt Freiburg im Uechtland geschlossen.
In diesem Bund steht wörtlich geschrieben, dass die Bürger von Freiburg und Murten sich gegenseitige Hilfe in allen Notlagen und die Förderung des Friedens in der gemeinsamen Gegend mit einem Eid zusichern. Wörtlich ist niedergeschrieben: Damit aber nicht jemandem im Verlaufe der Zeit Zweifel darüber entstehe, haben wir gegenwärtiges Privilegium unserer gegenseitigen Freundschaft zwischen Freiburg und Murten, im gemeinsamen Bundesbrief mit dem Siegel der Stadt Freiburg versehen. Dass Murtener heute also überwiegend Fans von Fribourg Gottéron sind, erklärt sich quasi von selbst.
Geschichtlich treten Bern und Murten im Jahre 1318 ein erstes Mal gemeinsam auf. Murten trat dem Fünfstädtebund bei. Am 25. September 1318 versammelten sich die fünf Städte im damals freiburgischen Gümmenen und schlossen einen Bund: «Im Namen Gottes, Amen. Wir die Schultheisse, Räte und Bürger der Städte Freiburg, Bern, Solothurn, Murten und Biel tun jedermann jetzt und später kund […] dass wir einen neuen Bund (novam conspirationem) getroffen haben.» Im Zuge der Burgunderkriege kam es 1476 zum Frieden von Freiburg im Uechtland. Dabei trat Savoyen unter anderem die Stadt und Herrschaft Murten an die Eidgenossenschaft ab. Die sogenannte „gemeine Herrschaft Murten“ wurde abwechslungsweise durch Bern und durch Freiburg verwaltet.
1528 beschloss der Rat von Bern die Durchführung der Reformation im gesamten Machtbereich Berns und setzte diese auch in der gemeinen Herrschaft Murten durch. Dieses Vorgehen führte wiederum zu Auseinandersetzungen mit dem katholischen Freiburg, welches zur Lösung des Problems eine Befragung der Bevölkerung verlangte. Bern musste auf dieses Verlangen eingehen, verzögerte aber die sofortige Abstimmung in Murten und setzte unter anderen den französischen Reformator Guillaume Farel als Reformprediger ein. In der 1530 erfolgten Abstimmung erlangten die Befürworter der Reformation eine kleine Mehrheit.
Schliesslich übernahm Bern die Funktion der kirchlichen und schulischen Angelegenheiten, während Freiburg für die militärischen Angelegenheiten zuständig war. Bern gewann damit in friedlichen Zeiten mehr Einfluss auf das bürgerliche Leben, was allmählich zu einem Vordringen der deutschen Sprache in dem damals noch überwiegend französischsprachigen Städtchen führte. Nach dem Zusammenbruch des Ancien Régime infolge des Franzoseneinfalls 1798 überliess die Berner Besatzung Murten den einmarschierten Franzosen. Mit der Mediationsakte wurde die Stadt Murten 1803 definitiv dem Kanton Freiburg zugeteilt.
Zusammenfassend…
… kann man also Folgendes feststellen:
- Murten unterhält seit rund 1000 Jahren Beziehungen sowohl zu Bern wie auch zu Freiburg.
- Im Zuge der Reformation übte Bern einen grossen Einfluss auf das bürgerliche Leben in Murten aus, was erklärt, warum man in Murten heute noch Berndeutsch spricht. Im Gegensatz zum katholischen Sensebezirk, wo freiburgisches Senslerdeutsch gesprochen wird.
- 1803 wurde Murten dem Kanton Freiburg zugeteilt, womit die Sympathien zu Fribourg Gottéron und damit auch die Rivalität zwischen dem SC Bern und Gottéron erklärt werden können.
Der HC Murten…
… vereint eine ganze Region von Eishockey-Liebhabern. Schon im Jahr 2019, also vor der Corona Pandemie, hatte Kevin Biehl, der heutige Präsident, eine Idee. „Murten, die Hauptstadt vom Seeland, braucht einen eigenen Hockeyclub“. Denn es gab so viele Eishockeyspieler in Murten, aber alle spielten in anderen Vereinen, sei es in Bern oder Freiburg oder auch in den Nachbardörfern Gurmels, Kerzers oder Cordast. Geplant war die Clubgründung im Jahr 2020, dann kam aber Corona. Kevin Biehl formuliert es so: „Wenn die Leute schon nicht mehr zusammen Weihnachten feiern dürfen, kann man nicht noch einen Club gründen“.
Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Am 20. Juni 2022 wurde der HC Murten gegründet, der Verein ist also schon im dritten Jahr und umfasst ein Kader von 63 Spielern, inklusive dem Verteidiger und Gründungsmitglied Philippe Furrer und dem Präsidenten und Torhüter Kevin Biehl. Der HC Murten spielt nicht in einer Meisterschaft, sondern trägt Freundschaftspartien aus. „So können wir die Spiele selber ansetzen und dafür sorgen, dass wir angenehme Spielzeiten haben“, begründet der Präsident. Mit dem so grossen Kader von 63 Spielern kann der HC Murten bei jedem Match mit drei Linien antreten. Das will natürlich organisiert sein.
Der Verein verfügt über eine App, in der alle Termine notiert sind. Der Präsident erfasst in der App jeweils auch, wie stark die Gegner sind. So können einerseits die eigenen Spieler entscheiden, ob sie spielen wollen. Anderseits kann der Präsident sein Kader auch dem Gegner entsprechend aufbieten. Er sorgt dafür, dass es zu ausgeglichenen Partien kommt. Damit alle Spass haben. Der HC Murten hat übrigens auch ein sehr prominentes Heimstadion. Er spielt in der BCF Arena, der Heimstätte von Gottéron.
Philippe Furrer, der perfekte Murtener
„Ich wohne in Murten, wollte nach der Karriere eigentlich gar nichts mehr mit Hockey zu tun haben. Ich wurde dann aber ins Projekt reingerissen und konnte nicht Nein sagen, etwas für die Region zu machen“, so erklärt Philippe Furrer im SRF-Pauseninterview am Spenglercup seine Mitgliedschaft beim HC Murten. Grad am Spengercup herrsche Euphorie fürs Eishockey und man sehe, dass das Hockey auch wichtig ist für die Gesellschaft. Es zeigt, dass Hockey die Menschen verbindet. An dieser Stelle schliesst sich auch der historisch erklärbare Kreis. Philippe Furrer spielte 14 Jahre beim SC Bern und beendete seine Karriere dann bei Fribourg Gottéron. Zum Legendenstatus des SCB müsste das Kriterium «Karriereende beim SCB» eigentlich zwingend erfüllt werden. Für Furrer machte der SCB eine Ausnahme, wie Rolf Bachmann vom SCB erklärt: «Philippe hat den Grossteil seiner Eishockeyzeit in Bern verbracht, war im Nachwuchs stark präsent und hat verschiedene Meisterjahrgänge geprägt. Er verdient diese Auszeichnung». Das kann also nur Eines heissen: Philippe Furrer ist der perfekte Murtener. Denn er steht sowohl für Bern wie auch für Freiburg. Aber eben unabhängig. Wie das die Einwohner von Murten über die letzten 1000 Jahre immer waren.
Furrers Rückkehr an den Spengler Cup nach 33 Jahren
Als 6-Jähriger träumte der kleine Philippe in der Eishalle Davos davon, so einer zu werden, wie jene Spieler, die er auf dem Eis beobachten durfte. Sein Traum ist in Erfüllung gegangen. Deswegen gründete er die Hockeytraum-Stiftung, die den Zweck hat, Kindern und ihren Eltern finanzielle und / oder ideelle Unterstützung bei der Umsetzung eines Hockeytraums zukommen zu lassen. Auch die Serviceorganisation Kiwanis setzt sich dafür ein, das Leben von Kindern zu verbessern. Furrer präsidiert in diesem Jahr den Kiwanis Club Murtensee. Zusammen mit Mitgliedern des HC Murten, aber auch mit Mitgliedern des Kiwanis Murtensee und weiteren Freunden ist Philippe Furrer 33 Jahre später wieder nach Davos an den Spengler Cup gereist. Ein Spengler Cup, der zusammen schweisse, wie Furrer im SRF-Interview erklärt: „Es ist hier ein riesiges Hockeyfest, das die Menschen verbindet“.
Morat – Fribourg, nur umgekehrt
Ein berühmter Volkslauf führt bekanntlich von Murten nach Freiburg. Roger Rönnberg, der ab der nächsten Saison Trainer von Gottéron sein wird, soll dem Vernehmen nach den Ort für die erste Meisterfeier in Google Maps schon gesucht und gefunden haben. Kevin Biehl hat auch einen Vorschlag: Murten – Freiburg, nur eben umgekehrt. Ein Umzug von Freiburg nach Murten und dann ein Fest in der Hauptstadt des Seelandes in Anwesenheit der Stiftung Hockeytraum, des Kiwanis Clubs Murtensee und natürlich des HC Murten. Dazu nochmals Kevin Biehl: „Wenn’s mal dazu kommt, dass Gottéron Meister wird, dann wird eh Ausnahmezustand sein. Ein Tag wird nicht reichen, es wird ein Fest über mehrere Tage geben. Und dann kann man einen solchen Umzug machen.“ Auf dass Träume in Erfüllung gehen mögen.
Kehren wir kurz zurück zur Aktualität. Gottéron konnte heute am Spengler Cup einen weiteren Erfolg unter dem seit wenigen Tagen amtierenden Trainer Lars Leuenberger feiern. Die Uechtländer siegten gegen die Finnen vom Polarkreis Kärpät Oulu mit 6:4 und führen die Tabelle momentan an.
Fotoquelle: Homepage HC Murten